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Wollerau
10.05.2021

Wenn der Firmen-Hauptsitz im Coworking-Space ist

Wer ein Scheindomizil hat, dem geht es eigentlich vor allem ums Sparen von Steuergeldern.
Wer ein Scheindomizil hat, dem geht es eigentlich vor allem ums Sparen von Steuergeldern. Bild: pixabay.com
Scheindomizile: Was legal ist, wann es zu einer Abklärung kommt und wann Steuern doppelt bezahlt werden.

Es ist nichts Neues, dass der Kanton Schwyz ein beliebtes Scheindomizil ist, also der Ort, wo treuwidrig der Wohn- oder Geschäftssitz begründet wird. Der Steuerwettbewerb der Höfner Gemeinden dürfte dazu beitragen. «Die Höfner Gemeinden befassen sich seit Jahren mit der Thematik», wie Albert Steinegger, Gemeindeschreiber der Gemeinde Freienbach, sagt.

Ein neueres Phänomen dürfte vermutlich sein, dass Firmen ihren Hauptsitz in einem Co-working-Space haben. Ein Hypothekenmakler mit über 300 Mitarbeitenden zum Beispiel gibt als Hauptsitz ein Coworking-Space in Ausserschwyz an. Geht das? 

Markus Beeler, Vorsteher der kantonalen Steuerverwaltung, hat die Antwort: «Bei Firmen, die mit Coworking-Spaces arbeiten, ist per se noch nicht von einem Scheindomizil auszugehen. Dies hängt sehr stark von der Branche ab und davon, wie und wo die Mitarbeitenden üblicherweise arbeiten.» Wichtig sei in diesem Fall aber: «An den mitbenutzten Räumlichkeiten muss die Gesellschaft regelmässig Arbeiten verrichten.» Dies bedeutet nicht, dass die Mitarbeitenden dauernd dort arbeiten müssen. Co-working-Spaces helfen unter anderem dabei, die Büroinfrastrukturkosten von Unternehmen zu optimieren. Beeler nennt dazu gleich ein Beispiel: «Das kann ein IT-Unternehmen sein, in dem die Mitarbeitenden üblicherweise dezentral, zum Beispiel von zu Hause aus, arbeiten, aber doch aus Geschäftsgründen regelmässig auch für zentrale Aufgaben das Coworking-Space-Büro nutzen.»

Wir sind dem Thema Scheindomizile nachgegangen und beantworten die Fragen, was es mit der Doppelbesteuerung in der Schweiz auf sich hat, ob sogenannte Briefkastenfirmen illegal sind und wie viele wir davon im Kanton haben.

Wie funktioniert das genau?

Ein niedriges Steuerniveau, wie es vor allem in den Höfner Gemeinden vorliegt, macht eine Gemeinde attraktiv, vor allem für Vermögende. Auf der anderen Seite verleitet es natürliche und juristische Personen dazu, ein Scheindomizil zu errichten. Entsprechend viele «Briefkastenfirmen» und leerstehende Wohnungen finden sich in Wollerau, Feusisberg und Freienbach. Die Höfner Gemeinden haben deshalb vor zehn Jahren eine Webseite errichtet, auf der natürliche Personen abklären können, ob es sich in ihrem Fall um ein Scheindomizil handelt oder nicht. «Es ist nicht im Sinne der drei Höfner Gemeinden, solche Scheindomizile zu unterstützen oder zu dulden. Es liegt ferner nicht im Interesse der Bezirksgemeinden, anderen Gemeinden dadurch Steuergelder vorzuenthalten», teilen diese mit. 

Da gewinnstarke Briefkastenfirmen schnell einmal auffliegen würden, ist davon auszugehen, dass die Steuererträge durch solche Firmen und Personen für die Gemeinden nicht besonders hoch sind.

Die Doppelbesteuerung erklärt

Doppelbesteuerung ist in der Schweiz verboten. Wie es der Name schon sagt, ist damit gemeint, dass Einkünfte und Vermögen respektive Gewinne und Kapital zweimal steuerlich belastet werden – in zwei Kantonen oder in zwei Ländern. Die Schweizer Verfassung verhindert dies. Es muss also ein Hauptdomizil definiert werden. Bei natürlichen Personen befindet sich das Hauptsteuerdomizil am Ort des tatsächlichen Lebensmittelpunktes, bei Gesellschaften dort, wo die Fäden der Geschäftstätigkeit zusammenlaufen. 

Das Bundesgericht hat in einer Reihe von jüngeren Entscheiden aber deutlich gemacht, dass, wer das Recht missbraucht, auch keinen Rechtsschutz findet. Wer also wirklich nur gerade einen Briefkasten im Kanton Schwyz hat und mehr nicht, der läuft Gefahr, letztlich an zwei Orten Steuern zahlen zu müssen, weil er rückwirkend vom anspruchsberechtigten Kanton besteuert wird (siehe dazu auch Artikel vom letzten Freitag).

Hundert «Briefkastenfirmen»

Markus Beeler, Vorsteher der Steuerverwaltung des Kantons Schwyz, erklärt das Vorgehen: «Der jeweilige Kanton, der die Steuerhoheit letztlich beanspruchen will, nimmt in der Regel die Abklärungen selbst vor.» Die Kantone würden sich dabei gegenseitig unterstützen und regelmässig über den Stand der Abklärungen informieren. «Abklärungen und Informationsaustausch erfolgen direkt auf Ebene des Fachpersonals Veranlagung.» Wenig überraschend: Aufgrund der attraktiveren Steuerbelastung erhält der Kanton Schwyz selber äusserst selten eine Meldung, wonach eine mutmasslich im Kanton Schwyz steuerpflichtige Person in einem anderen Kanton ein Scheindomizil begründet habe. Umgekehrt sind es zwischen 50 bis 70 Abklärungen pro Jahr wegen Verdachts auf ein Scheindomizil im Kanton Schwyz – je hälftig in Bezug auf natürliche und auf juristische Personen. «Briefkastenfirmen» hat es im Kanton Schwyz schätzungsweise um die hundert – diese sind aber nicht per se illegal. Gewisse Konzerne investieren beispielsweise über Briefkastenfirmen in andere Unternehmen, damit es Konkurrenten nicht mitbekommen. 

Anouk Arbenz, Redaktion March24 & Höfe24